Trotz HAE zur Ärztin

Aus dem Englischen übersetzt

Bei Kathrin Schön wurde mit 14 Jahren ein Hereditäres Angioödem (HAE) diagnostiziert. Heute lebt sie als Ärztin in Frankfurt am Main. Sie setzt sich für andere Betroffene ein und ist entschlossen, ihr Leben trotz der Erkrankung in vollen Zügen zu genießen.

Kathrins Eltern beobachteten die ersten Schwellungen, als sie gerade zwei Jahre alt war. Dennoch glaubt Kathrin, dass sich ihr HAE erst in der Pubertät im Alter von elf Jahren richtig entwickelt hat. Alle zwei Wochen traten bei ihr Schwellungen im Magen-Dram-Bereich und manchmal auch an den Händen und Füßen auf. Außer ihr hat niemand in der Familie diese Krankheit. Es war schwierig, die Anzeichen und Symptome zu erkennen, weil niemand Erfahrung damit hatte.

Damals war HAE weitgehend unbekannt, und Kathrin musste mehrere Krankenhausaufenthalte und medizinische Tests über sich ergehen lassen, während die Ärzte versuchten, die Ursache für ihre Schwellungen zu finden. Sie erinnert sich an viele Arzttermine und an Momente, in denen Ärzte versucht haben, sie und ihre Eltern zu beeinflussen. Das ging so weit, dass eine medizinische Fachkraft zu Kathrins Eltern sagte: „Wenn man einem Kind nicht genug Liebe gibt, kann es krank werden.“ Sie waren sprachlos.

Die Diagnose als „Glück im Unglück“

Als Kathrin 14 Jahre alt war, wurde sie während eines Familienurlaubs in Spanien von einer Mücke gestochen und erlitt große Schwellungen im Gesicht und am Hals. Die Ärzte vor Ort konnten sich nicht erklären, warum. Zum Glück machten ihre Eltern Fotos von den Schwellungen und zeigten sie nach dem Urlaub ihrem Kinderarzt. Er schlug der Familie vor, einen Termin bei einem Facharzt von der Frankfurter Uniklinik zu machen. In Kathrins eigenen Worten war das „die beste Entscheidung überhaupt“, und sie erhielt endlich ihre Diagnose. Damals gab es eine einzige, aber dafür gezielt Behandlungsoption und sie und ihre Familie verspürten eine große Erleichterung. Sie begannen, sich auf eine neue Lebensweise einzustellen, besprachen Behandlungsmöglichkeiten und lernten, Medikamente zu Hause zu verabreichen.

Kathrin sagt, dass sie „Glück im Unglück“ hatte, weil sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort war und erst dadurch ihre Diagnose erhalten hat. „Ich würde sagen, Glück ist das richtige Wort dafür.“

Wie Kathrin lernte, mit HAE zu leben

Während ihrer Teenagerzeit war Kathrin wegen der Schwellungen im Magen-Dram-Bereich oft tagelang ans Bett gefesselt. Auf Geburtstagsfeiern oder Treffen mit ihren Freunden musste sie häufig verzichten, was ihr schwerfiel. In den ersten Jahren nach ihrer Diagnose wollte Kathrin nicht über ihre Erkrankung sprechen und keine HAE-Selbsthilfegruppen besuchen.

Als sie 16 war, kam in Kathrin jedoch der Wunsch auf, mit Menschen zu sprechen, die ihre Erfahrungen verstehen würden. Auf den Vorschlag ihrer Mutter hin nahm sie an einem Patiententreffen teil – einem Treffen, das ihre Einstellung zum Leben verändern sollte. Sie erfuhr aus erster Hand, dass es möglich ist, mit dieser Krankheit ein „normales“ Leben zu führen. Schwellungen sind zwar Teil ihrer Realität, aber das ist in Ordnung, solange sie ihre Behandlung im Griff hat. Es geht darum, das Unvermeidliche zu akzeptieren.

„Es ist eine lebensbedrohliche Krankheit, aber nur, wenn man sie nicht unter Kontrolle hat.“

Seit dem Zeitpunkt ermutigten ihre Eltern sie immer, die Dinge zu tun, die sie liebte, und vermittelten ihr nie den Eindruck, dass die Krankheit sie von etwas abhalten würde. Sie integrierten HAE in ihren Familienalltag. Kathrins Geschwister saßen oft am Küchentisch und sahen zu, wie sie behandelt wurde, wenn sie Schwellungen hatte.

Bei einem Patiententreffen lernte Kathrin eine Frau Anfang 20 kennen, die erzählte, dass sie keine Kinder haben wollte. „Sie hatte sich gegen Kinder entschieden, nicht weil sie Angst hatte, dass ihr Kind HAE bekommen könnte, sondern weil sie befürchtete, dass sich die HAE-Symptome während der Schwangerschaft verschlimmern könnten. Ich war schockiert, dass HAE sich so negativ auf ihr Leben auswirkte und dass sie diese Entscheidung in einem so jungen Alter getroffen hat.“ Nach dieser Erfahrung beschloss Kathrin, nicht zuzulassen, dass ihr eigenes Leben und ihre Entscheidungen durch HAE negativ beeinflusst werden.

Auch Reisen sind möglich

Reisen ist Kathrins Leidenschaft, aber als HAE-Patientin muss sie bei jeder Reise viel organisieren und planen. Kathrin erzählt, wie sie einmal für sieben Wochen nach Costa Rica ging:Ich hatte zwei Taschen dabei, eine normale Tasche wie jeder andere und eine Tasche, in der nur Medikamente waren.“ Die Bestellung solch großer Medikamentenmengen war schwierig, aber sie sagt, dass es mit zunehmender Erfahrung einfacher geworden ist, die entsprechenden Vorschriften zu beachten. Kathrins gutes Vertrauensverhältnis zu ihrem Arzt und ihrem Apotheker ist jetzt ein wichtiger Bestandteil ihres Umgangs mit der Krankheit. Sie sagt, dass HAE nichts ist, wovor man Angst haben muss, und dass die Krankheit niemanden in seinen Möglichkeiten einschränken sollte. Das Leben mit der Krankheit hat ihr nie das Gefühl gegeben, machtlos zu sein.

„Eine Frau sagte einmal zu mir: ‚Ich habe einfach solche Angst, zu reisen, und sogar davor, die Grenze zu überqueren.‘ Man muss einfach nur den ersten Schritt gehen. Dann verliert man die Angst, und das ist wahnsinnig ermutigend.“

Ursprünglich träumte Kathrin von einer Karriere als Meeresbiologin, aber das Tauchen hätte ihre Lungen zusätzlich belastet, was das Risiko von Atemwegsproblemen erhöht hätte. Sie gab aber nicht auf und suchte nach anderen Berufen, die sie interessierten. Da ihr Lernen viel Spaß macht, entschied sie sich, Ärztin zu werden.

Obwohl der Hauptauslöser für ihre Symptome Stress ist, schaffte es Kathrin während des Medizinstudiums, die Krankheit in den Griff zu bekommen. Genau wie in ihrer Schulzeit konnte sie an manchen Partys nicht teilnehmen, weil sie Schwellungen hatte. Aber ihre Kommilitonen hatten dafür Verständnis.

Krankheit vielerorts noch zu unbekannt

Jetzt, als Ärztin und HAE-Patientin, hat Kathrin eine neue Perspektive auf das deutsche Gesundheitssystem und die Unterstützung Betroffener. Sie denkt, dass die auf HAE spezialisierten Zentren ihren Patienten eine sehr gute Versorgung bieten. Die ganzheitliche Betreuung, die auch die psychologischen Aspekte des Lebens mit HAE berücksichtigt, könnte jedoch noch ausgebaut werden. Patientenorganisationen gehen hier mit gutem Beispiel voran: Sie bringen Patienten zusammen, veranstalten Vorträge mit Experten und ermutigen die Menschen, zum Psychologen zu gehen. „Das ist sehr wichtig und hätte mir in den ersten Jahren nach der Diagnose vielleicht geholfen“, so Kathrin. Glücklicherweise verweisen viele Ärzte in Deutschland ihre Patienten an solche Organisationen, meint sie.

Mit Blick auf die internationale Situation sagt Kathrin, dass die Krankheit in bestimmten Ländern immer noch zu unbekannt ist. Dies ist einer der Gründe, warum sie sich heute für die Betroffenen einsetzt, indem sie an Radio-Podcasts teilnimmt und Interviews gibt. „Man erzählte mir einmal, dass es Länder gebe, in denen zwar bekannt sei, dass es HAE-Patienten in der Bevölkerung gebe, deren Regierungen aber dann sagten: ‚Wir haben nur einen Patienten, das ist einfach zu teuer für uns.‘ Es gibt hier also offenbar einen Bedarf, der noch nicht überall gedeckt wird.“

Als Ärztin für andere Betroffene im Einsatz

Kathrin hat viele Geschichten von Menschen gehört, die mit HAE leben. Das hat ihr gezeigt, wie viel Glück sie hatte und wie sehr sich die Behandlungen von Jahr zu Jahr verbessert haben. Diese Geschichten haben sie ermutigt, sich für HAE-Betroffene einzusetzen. Sie möchte ihren Weg – von der Diagnose als Teenager bis zum Leben als Ärztin – mit anderen teilen, um zu zeigen, dass ein „normales“ Leben mit einer seltenen Krankheit möglich ist.

Approval-Nr. DE.HAE.00014, Stand 04/2023