HAE – was ist das?
Bei einem Hereditären Angioödem (in etwa „vererbte Schwellungsneigung der Unterhaut“, kurz HAE) tritt Flüssigkeit ins Gewebe aus und verursacht Schwellungen (Ödeme) der Haut und der Schleimhäute an verschiedenen Körperteilen und Organen. Sind die Schleimhäute im Magen-Darm-Trakt betroffen, kann das Bauchschmerzen, kolikartige Krämpfe, Erbrechen und Durchfall auslösen.
Schwellungen treten meistens attackenartig oder in Schüben auf: Oft entwickeln sie sich über einen Zeitraum von 12 bis 36 Stunden und klingen innerhalb von 2 bis 5 Tagen wieder ab.1–3 Die Trigger für HAE-Attacken können so individuell wie die an der Erkrankung leidenden Menschen sein – dennoch lassen sich häufige Auslöser identifizieren. Mehr dazu hier.

HAE ist eine von 8000 seltenen Erkrankungen. In der EU gilt eine Erkrankung dann als selten, wenn nicht mehr als 5 von 10 000 Menschen von ihr betroffen sind.4
Expertinnen und Experten schätzen, dass weltweit einer von 50 000 Menschen von HAE betroffen ist, in Deutschland leben vermutlich 1600 Menschen mit einem diagnostizierten HAE – wahrscheinlich gibt es aber mehr Betroffene, die (noch) keine Diagnose haben.5,6
Wie entsteht HAE?
Grund für die Schwellungen ist in der Regel ein Defekt des sogenannten SERPING1-Gens. Es liegt auf Chromosom 11 und ist für die Herstellung des Eiweißes (Proteins) C1-Esterase-Inhibitor (C1-INH) zuständig.7 Durch den Defekt aber verursacht es eine Kettenreaktion von Fehlern.
Bei Menschen mit HAE ist C1-INH in den meisten Fällen entweder zu niedrig oder nicht vorhanden oder in seiner Funktion eingeschränkt. Dies führt zu einer Störung des Enzyms Plasma-Kallikrein, was wiederum zu einer zu großen Menge des Gewebshormons Bradykinin führt. Bradykinin reguliert unter anderem den Blutdruck und erhöht die Durchlässigkeit der Blutgefäße. Die Folge von zu viel Bradykinin: Die Blutgefäße werden durchlässiger für das Blutplasma.8 Es tritt aus den Gefäßen aus, lagert sich im Gewebe ein und führt zu den attackenartigen Schwellungen.
In drei Vierteln der Fälle ist HAE von einem Elternteil vererbt worden, bei einem Viertel entsteht die Erkrankung durch eine spontane Gen-Mutation.9
Welche HAE-Typen gibt es?
Je nachdem, wie viel oder wenig C1-INH der Körper produziert, unterscheidet die Fachwelt drei Typen von HAE:10
HAE Typ 1
Bei diesem HAE-Typ wird zu wenig C1-INH freigesetzt.
Dieser Typ kommt mit 85 % am häufigsten vor.
HAE Typ 2
Bei diesem Typ bildet der Körper zwar genügend C1-INH, es „funktioniert“ aber nicht richtig. Dieser Typ kommt mit 15 % deutlich seltener vor.
HAE mit normaler C1-INH-Funktionalität
(früher Typ 3)
Dieser Typ ist sehr selten und beruht auf anderen Gendefekten, die aktuell Gegenstand weiterer Forschung sind. Sowohl Menge als auch Funktion des C1-INH sind bei diesem HAE-Typ normal.
Ob es sich um HAE Typ 1 oder 2 handelt, lässt sich mit einem Labortest – zum Beispiel in einem HAE-Zentrum – herausfinden. Beim dritten Typ ist die Diagnose sehr viel schwieriger, da nicht alle Gen-Mutationen bekannt sind.
Wo können Schwellungen auftreten?
Die Schwellungen können nahezu überall auftreten. Besonders häufig sind Schwellungen der Haut, vor allem im Gesicht (Augen, Lippen), an den Händen, Armen, Füßen und Beinen oder an den Schleimhäuten im Magen-Darm-Trakt, auch der Kehlkopf, Genitalien, Harnblase, Muskulatur, Gelenke, Gehirn und Nieren können betroffen sein.11

Schon Babys und Kleinkinder können Anzeichen eines HAE entwickeln. Meist treten die ersten Schwellungsattacken im ersten oder zweiten Lebensjahrzehnt auf, manchmal auch später. Bei den HAE-Typen 1 und 2 sind Frauen und Männer etwa gleich häufig betroffen.
(1) Bernstein. Am J Manag Care 2018;24:s292–s298
(2) Kaplan et al. World Allergy Organ J. 2008;1:103–113
(3) NHS England, Clinical Commissioning Policy: Plasma-derived C1-esterase inhibitor for prophylactic treatment of hereditary angioedema (HAE) types I and II, 2016: 16045/P
(4) Bundesgesundheitsministerium: Seltene Erkrankungen https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/gesundheitsgefahren/seltene-erkrankungen.html
(5) Zuraw BL. N Engl J Med. 2008;359(10):1027–1036
(6) Nzeako UC et al. Arch Intern Med 2001;161:2417-29
(7) Bernstein JA. Am J Manag Care. 2018;24:s292–s298
(8) Bryant et al. Cardiovasc Hematol Agents Med Chem. 2009;7:234–250
(9) Johnston et al. J Am Osteopath Assoc. 2011;111:28–36
(10) Zuraw. N Engl J Med. 2008;359:1027–1036
(11) NHS England, Clinical Commissioning Policy: Plasma-derived C1-esterase inhibitor for prophylactic treatment of hereditary angioedema (HAE) types I and II, 2016: 16045/P
(12) Maurer M et al. The international WAO/EAACI guidline for the management of hereditary angioedema – the 2021 revision and update. Allergy. 2022 Jan 10. doi: 10.1111/all.15214. Online ahead of print.
(13) Stiftung Gesundheitswissen: Auf Augenhöhe mit dem Arzt?
https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/gesundes-leben/patient-arzt/patient-und-partner
(14) Patientenportal Verband forschender Pharma-Unternehmen: Shared-Decision-Making: Patient und Arzt entscheiden gemeinsam
https://www.vfa-patientenportal.de/service/patienten-arzt-kommunikation/shared-decision-making-patient-und-arzt-entscheiden-gemeinsam.html